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Stefan ist Anfang 30 und lebt im Berliner Stadtbezirk Köpenick in ruhiger Lage - und auch sonst liebt er es eher ruhig und besonnen. Der Burokaufmann raucht relativ selten und nur in Ausnahmefällen besorgt er sich auch selbst mal was.
Wir besuchten Stefan in seiner gemütlichen Dachwohnung im Grünen und führten mit ihm ein offenes Gespräch über seine ganz persönliche Sicht auf Cannabis.
Was wusstest du über Cannabis, bevor du anfingst, das Kraut selbst zu rauchen?
Im Vorfeld habe ich mich eigentlich nicht mit der Thematik auseinandergesetzt. Mein erstes Mal war mit 16 und da ist man ja meist nicht in einem Alter, in dem man sich intensiv mit solchen Dingen beschäftigt. Das bringt oft schon der Freundeskreis mit sich. Ich glaube, wir haben in der Schule auch nie so richtig über Drogen gesprochen — weder im Biologieunterricht noch sonst wo. Das Einzige, an das ich mich noch erinnere, war der Film Wir Kinder vom Bahnhof Zoo — ich glaube, das war das erste und einzige Mal, dass wir im Rahmen unseres Unterrichts auch mal über Drogen gesprochen haben. Allerdings ging es hier ja um Heroin und wie es dich kaputtmachen kann — von Cannabis war in der Schule jedenfalls nie die Rede. Davon hörte ich dann aber in meinem Freundeskreis — mein bester Freund hatte schon mit dem Kitten angefangen und so kam ich schließlich auch damit in Berührung. Rückblickend kann ich mich noch daran erinnern, wie ich 1995 auf der Loveparade war und da so am Rande des Ku'damms stand und mich wunderte, was der dort auch herumsitzende langhaarige Mittdreißiger für komische grüne Krümel in den Tabak seiner seltsam langen Zigarette eindrehte. Damals konnte ich mir das nicht erklären und schenkte dem auch keine weitere Beachtung — erst später kam dann die Erleuchtung, was ich da gesehen hatte. Auch noch vor meinem ersten Selbstversuch hatte ich irgendwie mitgekriegt, dass Cannabis eine natürlich gewachsene Pflanze und keine Chemie-Droge ist und als relativ ungefährlich angesehen wurde led grow ch
Unter welchen Umständen hast du dann das erste Mal selbst Cannabis konsumiert und wie war das für dich?
Das war so: Wir waren mit so einem Schüleraustauschprojekt in der Schweiz und lernten da eine super Truppe aus der Skater- und HipHop-Szene kennen, mit denen wir dort gemeinsam zur Schule gingen. Mit einigen freundete ich mich an und lud sie dann auch zu meinem 16. Geburtstag nach Berlin ein — wo alles nach einer grandiosen Party aussah: Meine Eltern waren verreist und so hatte ich weitgehend sturmfreie Bude — nur meine ältere Schwester würde irgendwann in der Nacht noch kommen. Als dann die Schweizer, die etwas mit dabei hatten, zu mir sagten „Komm mal mit, wir rauchen uns jetzt einen Eimer!", dachte ich mir nichts weiter und ging mit. Damals rauchte ich ab und zu auch schon mal eine Zigarette — so eine Packung im Monat. Und ich hatte oft genug gehört, dass man beim ersten Mal sowieso nie etwas merkt — irgendwie müsse sich der Körper erst mal etwas daran gewöhnen. Was sollte mir also passieren? Zugegebenermaßen schwang da auch der viel zitierte Gruppenzwang und ein ordentliches Stück Ahnungslosigkeit mit — sonst hätte ich die 1,5-Literflasche wohl kaum so komplett und mit einem einzigen neugierigen Atemzug gelehrt. Noch bevor die erste Wirkung bei mir einsetzte, bemerkte ich schon die teils bewundernden, teils irritierten Gesichter der mit mir am Esszimmertisch meiner Eltern Sitzenden: „Oh Mann — du bist ja krass! Du hast ja gleich die ganze Pulle weggezogen..." Und als ich dann ausatmete — das werde ich nie vergessen — spürte ich eine mächtige, von den Füßen aufsteigende Welle in mir, die sich in Richtung Kopf durch meinen Körper wühlte. Ich spürte buchstäblich, wie es mir zu Kopf stieg, und dort angekommen machte es plötzlich „Peng!" — ich erlebte eine Art neurologische Kopf-Explosion und sackte erstmal im meinem Sessel zusammen. Ich war da schon ziemlich extrem geflasht — das wurde mir mit der Zeit dann auch richtig unheimlich. Ich hatte ja keine Ahnung, was da gerade mit mir passiert war und wie das nun weitergeht. Zumal ja alle auch schon so komisch geschaut hatten, als ich mir die ganze Flasche reingezogen hatte — da bleibt ja nur der Schluss, dass man sich in seiner Ahnungslosigkeit überdosiert hatte und nun die Konsequenzen tragen muss. Bei mir spielte sich dann ein ganz komisches Kopfkino ab, was letztendlich darauf hinauslief, dass ich teilweise panisch befürchtete, meine Schwester würde früher als erwartet nach Hause kommen und uns in diesem Zustand erwischen. Ich weiß noch, wie ich — auf den Rat eines Kumpels hin — überall in der Wohnung kleine Schälchen mit einem Gemisch aus Spülmittel und Essig aufstellte, die alle verräteri-schen Gerüche beseitigen sollten. Zum Glück hat meine Schwester letztendlich nichts von meinen Geburtstags-Eskapaden mitgekriegt — aber für mich war das erste Mal kein wirklich entspannendes Erlebnis. Zumindest wusste ich noch, wer ich bin und was ich hier mache — aber ich war eben auch extrem körperlich berauscht und etwas panisch dabei. Ich hatte ja noch gar keine Erfahrung mit dem Runterkommen und diese erste Eimerei hatte mich wie ein Faustschlag erwischt und auf die Bretter geschickt. Zwischenzeitlich hatte ich dann zwar auch ein paar Lachanfälle und war recht gut drauf, doch dieses panische Gefühl kam immer wieder. Schließlich hatte ich definitiv beim ersten Mal etwas gemerkt — und war irgendwie gar nicht so richtig darauf vorbereitet.
Nach dieser Einstiegserfahrung ist es ja eher verwunderlich, dass du dich danach noch mal an Cannabis rangetraut hast.»
Das kam durch einen meiner damals besten Freunde, der ein ganz schöner Draufgänger-Typ war. Er hatte halt nie eine richtige Vaterfigur und hat daher schon immer gemacht, was er wollte — von seiner Mutter hatte er sich damals schon lange nichts mehr sagen lassen. Als ich 16 war, hatte er schon mit Kiffen angefangen und rauchte bald ziemlich regelmäßig. Er hatte fast immer seine kleine Bong mit dabei und so kam ich an manchen Abenden auch wieder in Berührung mit Cannabis. Die Erfahrungen wurden nun schlagartig besser, da ich nicht ganz so viel wie beim ersten Mal inhalierte — diese Erfah-rung hatte mich vorsichtig werden lassen. Aber noch immer setzte die Wirkung schlagartig und heftig ein. Ich hatte damals ja noch keine Ahnung, dass man die Wirkung auch sanfter und kontrollierter mit einem Joint haben konnte. Ich kannte nur die Bong — und mit der kam ich jetzt schon viel besser klar. Ich kann mich noch genau an ein Wochenende bei meinem Freund erinnern, an dem er sturmfreie Bude hatte und wir uns ein-zwei Bong reinzogen. Dann schauten wir uns den gerade herausgekommenen Film Die nackte Kanone an und mussten dabei immer wieder so heftig ablachen, dass unsere Zwerchfelle letztendlich schmerzten. Das hat sich mir tief eingeprägt — so herzlich und intensiv hatte ich in meinem Leben zuvor noch nie gelacht. So kam es dann regelmäßig zu Filmabenden oder anderen Treffen, bei denen ich mit meinem Freund auch was kiffte — er hatte im Gegensatz zu mir auch schon eine gute Connection. Als er mich mal mit zu seinem Dealer genommen hatte, fand ich das irgendwie unangenehm — ich saß da mit ihm und ein paar mir völlig unbekannten Leuten in deren Wohnzimmer und ein paar Bongs kreisten. Für mich war das kein gutes Setting und so hielt ich mich mit dem Rauchen lieber zurück — zumal da echt riesige Bongs kreisten, die teilweise einen guten Meter lang waren. Auch ein paar der Leute waren mir eher suspekt — und ich glaube, es ging ihnen mit mir ganz ähnlich. Die gelegentlichen Cannabis-Sessions mit meinem Freund gefielen mir dagegen immer besser — ich wusste nun langsam, welche Menge mir am besten tat. Als ich dann 18 Jahre alt wurde, war Cannabis auch bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ich stellte verwundert fest, dass eine Reihe ganz normaler Leute und sogar einige Streber kifften, von denen ich es überhaupt nicht erwartet hätte. Aber so gab es auch immer mal wieder eine Möglichkeit, irgendwo etwas mitzurauchen — über viele Jahre hinweg hat mir das völlig ausgereicht. Ich habe mir eigentlich erst in den letzten Jahren auch ab und zu mal ein bisschen Gras besorgt, um nicht immer nur der Schnorrer zu sein.
Warum bist du schließlich von der Bong aufs Joint-Rauchen umgestiegen?
Das war den Umständen geschuldet — mit meinem Freundeskreis veränderten sich auch die Konsumgewohnheiten. Nach der Berufsschule verlor ich meinen Freund aus den Augen und meine neuen Freunde und Bekannten rauchten fast nur noch Joints. So lernte ich die sanf-tere Art des Kiffens kennen und empfand es persönlich auch bald als deutlich angenehmer und besser kontrollierbar als die Bong-Raucherei. Der Joint hatte die Bong besiegt.
Hast du — abgesehen von deinem ersten Mal — eigentlich auch später nochmal negative Erfahrungen mit Cannabis gemacht?
Persönlich zum Gluck gar nicht mehr, seit ich nur noch Joints rauche. Aber in der intensiven Anfangszeit, in der wir uns öfter mal ein paar Bongs reinzogen, kam es auch schon mal vor, dass mir schlecht wurde oder ich sonstwie abstürzte. Aber das war am nächsten Morgen alles wieder vergessen. Allerdings bemerkte ich bei meinem Freund. dem Draufgänger, mit der Zeit, was für nachteilige Auswirkungen exzessiver Konsum auf einen jungen Menschen haben kann. Er hat es aber auch richtig übertrieben — bald sah man es ihm sogar körperlich an. wie sehr er bereits abbaute. Aber wenn man schon am frühen Morgen zwei Köpfe durchzieht und dann noch einen direkt vor der Berufsschule, dann kann das eigentlich nicht lange gut gehen. Als ich bemerkte. dass die Extremkifferei ihm gar nicht guttat, bestärkte mich das in meinem Entschluss, bestimmte Grenzen besser gar nicht erst zu überschreiten. Und zwar nicht nur in Hinblick auf andere Drogen, sondern auch in Bezug auf Menge und Häufigkeit meines Cannabiskonsums haschisch
Kannst du mit deiner Familie mittlerweile ganz offen über Cannabis sprechen oder verheimlichst du deinen Gelegenheitskonsum auch heute noch?
Ich komme ja aus einem sehr behüteten Elternhaus, in dem es immer wichtig war, bloß keine verbotenen Sachen zu machen — schon die Tatsache, dass ich ab und zu mal eine Zigarette rauche, birgt unglaubliches Konfliktpotenzial. Als ich mit vierzehn das erste Mal eine Zigarette auf Pustebacke geraucht hatte und nach Hause kam, haben sie das sofort an mir gerochen und ein Riesenfass aufgemacht. Ich hasse es, mich vor meinen Eltern rechtfertigen zu müssen und da ich auf derartige familiäre Konflikte und Standpauken so gar keine Lust habe, gewöhnte ich mir an, gewisse Sachen am besten gar nicht erst zur Sprache zu bringen und alle Spuren gewissenhaft zu verwischen. Daran hat sich auch nichts geändert — ich kann sagen, dass es mir gelungen ist, meinen Eltern meine gelegentliche Kifferei bis heute erfolgreich zu verheimlichen. Und nicht nur das — sie ahnen wahrscheinlich nicht mal, dass ich schon seit meiner Jugend regelmäßig Zigaretten rauche.
Und da hast du — als inzwischen Erwachsener — nicht das Bedürfnis, ihnen mal reinen Wein einzuschenken?
Nein. eigentlich nicht. Es gab zwar mal einen Berührungspunkt durch einen Freund von mir, der im Beisein meiner Eltern mal ein paar Sachen gesagt hat, die den Schluss zulassen, dass er ab und zu einen raucht. Vielleicht ahnen ja meine Eltern längst, dass ich nicht ganz so jungfräulich unterwegs bin, wie ich sie immer noch glauben lasse — und vielleicht haben sie selbst das Thema nie angesprochen, um die so lange gepflegte Illusion nicht zu zerstören.
Und was ist mit deiner großen Schwester?
Mit ihr ist es genauso — wir haben leider nicht das engste Verhältnis und daher erzähle ich ihr vieles nicht.
Wie ist es auf Arbeit? Weiß bei dir im Büro jemand von deinen Gelegenheitstüten?
Nein, aber das geht da auch keinen was an, denn nach Feierabend lebt hier jeder sein eigenes Privatleben. Die wenigsten Kollegen sind miteinander befreundet — da weiß eigentlich keiner Genaueres vom anderen. Insofern hat da so ein Thema auch gar nichts zu suchen.
Hast du vor oder nach Cannabis auch noch andere Drogen ausprobiert?
Nur Alkohol, Kaffee und Nikotin. Dann kam gelegentlich Cannabis dazu. Und dabei ist es auch geblieben, denn das reicht mir völlig. Noch mehr Rausch ist für mich überhaupt nicht erstrebenswert. Und da ich eigentlich ein eher vorsichtiger Typ bin, habe ich von allen anderen illegalen Drogen lieber die Finger gelassen, obwohl ich durchaus die Gelegenheit gehabt hätte, zum Beispiel mal Magic Mushrooms oder Kokain auszuprobieren. Aber ich habe für mich hinter Cannabis ganz bewusst eine Grenze gezogen, die ich auch gar nicht überschreiten will — so um die drei Mal im Monat ein bisschen was kiffen reicht mir völlig. Dabei ist es bis heute geblieben.
Hast du — wenn du bekifft oder mit ein wenig Gras in der Tasche unterwegs bist — eigentlich Angst vor einer möglichen Strafverfolgung?
Schon. Am meisten eigentlich, wenn ich bekifft Auto fahre — was ich normalerweise aber vermeide. Wenn ich es dann aber doch mal mache, kann es dabei zu leicht paranoiden Anwandlungen kommen: Ich gucke dann immer viel zu oft in alle Rückspiegel und bremse oft zu schnell und kräftig. Irgendwie bin ich dann immer viel zu konzentriert, um ganz entspannt fahren zu können. Gleichzeitig versuche ich aber, möglichst nicht im Verkehr aufzufallen und ganz entspannt zu wirken — was mich aber nur noch zusätzlich stresst und sich auch gar nicht gut anfühlt. Das ist aber eigentlich gar nicht mal die Angst vor einer möglichen Strafverfolgung, sondern die Angst, meinen Führerschein zu verlieren. Und wenn ich dann doch mal mit etwas Gras in der Tasche erwischt werden sollte, hätte ich auch ein Stück weit Angst davor, mich wieder für etwas rechtfertigen zu müssen, was ich persönlich für durchaus vertretbar halte. Aber eigentlich mache ich mir hier in Berlin keine große Platte — wenn ich ausgehe, kiffe ich oft auch in aller Öffentlichkeit. Aber ich achte auch darauf, dass ich damit nicht andere Leute belästige — so rücksichtsvoll sollte man meiner Meinung nach schon sein.
Bist du persönlich für eine Legalisierung von Cannabis?
Da würde ich spontan "Auf jeden Fall!" sagen — obwohl das eher eine Bauchentscheidung ist. Denn eigentlich weiß ich viel zu wenig über die gesellschaftlichen Vor- und Nachteile einer möglichen Legalisierung. Was aber definitiv überflüssig ist, ist die Strafverfolgung von Cannabis-Straftaten. Insofern wäre auch eine rechtsverbindliche bundesweite Entkriminalisierung schon ein großer Schritt in die richtige Richtung — wir vergessen ja hier in Berlin gerne, dass in Bayern immer noch harmlose Kiffer gnadenlos verfolgt und abgestraft werden.
Kannst du dir vorstellen, in naher oder ferner Zukunft deinen gelegentlichen Cannabiskonsum ganz einzustellen?
Vorstellen kann ich mir das schon — aber warum sollte ich? Für mich sind die zwei, drei cannabisrauchgeschwängerten Abende pro Monat eine schöne Sache, die ich auch nicht mehr missen möchte. Ich fühle mich immer gut damit und da ich nun schon jahrelang nur verhältnismäßig selten kiffe, bin ich auch davon überzeugt, die Sache ganz gut im Griff zu haben. Von der Heimlichtuerei meinen Eltern gegenüber mal abgesehen, bin ich eigentlich zufrieden damit wie es ist — daher sehe ich auch keine Veranlassung, irgendetwas daran zu ändern.